Eine Frage des Kennenlernens – Partnermärkte und Kommunikation

Liebe auf den ersten Blick oder eine Beziehung, nachdem man sich schon viele Jahre kennt – fast jeder kann aus seinem Freundeskreis oder aus persönlichen Erfahrungen eine solche Geschichte erzählen. Wie auch immer ein Paar zueinander gefunden hat, die Möglichkeit, sich begegnen zu können, miteinander ins Gespräch zu kommen und sich kennenzulernen, wird dabei immer eine zentrale Rolle gespielt haben.
Dass man einem zukünftigen Partner erst begegnen muss, bevor man sich kennenlernen kann und vielleicht auch ein Paar wird, mag zunächst banal klingen. Die Begegnung mit einem zukünftigen Partner ist aber eine spannende und komplexe Situation, wenn man sich die Frage stellt: „Wo lernt man eigentlich potenzielle Partner kennen?“

Was sind „Partnermärkte“? Orte des Kennenlernens

Die Sozialwissenschaften antworten auf die Frage, wo man potenzielle Partner kennenlernt, meist schnell mit dem Begriff des Partnermarkts – aber was genau soll man sich unter Partnermärkten vorstellen?
Der für Nicht-Soziologen etwas sperrige Begriff des Partnermarkts wurde maßgeblich vom Ökonom Gary S. Becker geprägt. Nach seinen Annahmen konkurrieren Personen beider Geschlechter auf Partnermärkten miteinander um potenzielle Partner. Etwas weniger abstrakt lässt sich unter Partnermärkten aber auch allgemein der „Ort“ ansehen, an dem man potenziellen Partnern begegnen kann. Häufig versteht man unter Partnermärkten auch den Ort der ersten Begegnung mit dem aktuellen oder letzten Partner.
Natürlich findet das eigentliche Kennenlernen nicht nur am Ort der ersten Begegnung, sondern an vielen weiteren gemeinsamen Orten und in Situationen mit dem späteren Partner statt. Gemäß aktueller Befunde zum Thema Partnermarkt, zum Beispiel mit den Daten des Partnermarktsurveys, ist der Ort der ersten Begegnung jedoch nicht ohne Bedeutung, denn Begegnungen mit potenziellen Partnern sind meist nicht zufällig. Bestimmte Anlässe bringen Personen mit ähnlichen Interessen und ähnlichen Merkmalen zusammen, wie etwa bei Sport- und Freizeitaktivitäten, im Freundeskreis oder in Ausbildungseinrichtungen.

Welche Bedeutung hat Kommunikation auf Partnermärkten?

Die Möglichkeit, sich physisch begegnen zu können, wird womöglich nicht ausreichen, um sich gleich in jemanden zu verlieben. Es muss Gelegenheiten geben, miteinander ins Gespräch zu kommen, etwas übereinander zu erfahren, sich kennenzulernen. Diese Möglichkeiten können je nach sozialer Situation, in der man sich begegnen kann, verschieden geeignet sein. Analysen mit den Daten des Partnermarktsurveys zeigen hierzu, dass manche Orte des Kennenlernens besser eingeschätzt werden, um einen Partner zu finden, als andere. Wir ahnen es schon – gemeinsame Interessen, Möglichkeiten zur Kommunikation und zum Kennenlernen, können im Freundeskreis oder bei gemeinsamen Sport- und Freizeitaktivitäten stärker gegeben sein als beispielsweise am Arbeitsplatz oder in der Nachbarschaft. Doch was zeigen unsere empirischen Ergebnisse?

Orte des Kennenlernens: mit Freunden und in der Freizeit

Die Aussagen zu den Orten des Kennenlernens, die in der jüngsten infas-eigenen telefonischen Bevölkerungsumfrage von rund 1.000 Befragten im Herbst 2015 erhoben wurden, passen zu den Erwartungen und anderen Forschungsergebnissen. Die klassischen Orte des Kennenlernens des aktuellen oder letzten Partners sind auch hier der Freundeskreis, Sport- und Freizeitaktivitäten oder Cafés und Lokale – kurz: Aktivitäten, die man mit Freunden und Bekannten teilt und bei denen man Personen mit ähnlichen Interessen treffen und schätzen lernen kann.

Das Internet als Ort des Kennenlernens

Bei den gängigen Orten des Kennenlernens also keine Überraschungen. Doch wie sieht es mit dem Internet als Ort des Kennenlernens von potenziellen Partnern aus? Ein spannender Befund zu den Orten des Kennenlernens ist, dass das Internet – ein virtueller Ort, dem man wachsende Bedeutung bei der Partnersuche zuspricht, zum Beispiel über soziale Netzwerke oder über Dating-Apps – im Schnitt mit nur 4 Prozent außerordentlich selten als Ort des Kennenlernens des aktuellen bzw. letzten Partners genannt wird, sogar noch hinter der Nachbarschaft. Etwas anders sehen die Befunde aus, wenn man sich die Nennungen der Orte des Kennenlernens getrennt nach Altersgruppen betrachtet: Am häufigsten wird das Internet als erster Kontaktort in den Altersgruppen zwischen 30 bis unter 60 Jahren genannt. Aber auch unter diesen Befragten rangiert das Internet als Ort des Kennenlernens deutlich hinter dem Freundeskreis und Sportoder Freizeitaktivitäten. Diese Klassiker sind in allen Altersgruppen stark vertreten.

Gezielte Partnersuche im Internet

Worauf lassen sich diese Befunde zurückführen? Man könnte annehmen, dass das Internet ein sehr geeigneter Ort des Kennenlernens ist. Er macht es sehr einfach, mit potenziellen Partnern zu kommunizieren oder etwas über sie herauszufinden, z. B. über das Aussehen, ähnliche Interessen oder gemeinsame Freunde. Oft lässt sich über soziale Netzwerke sogar der aktuelle Partnerschaftsstatus oder der aktuelle Partnerwunsch erfahren, etwa wenn man sich in Partnersuchbörsen bewegt oder Dating-Apps verwendet. Über die gezielte Partnersuche im Internet können Suchende sozusagen einen ganzen Katalog potenzieller Partner in der regionalen Umgebung computergestützt sichten. Ist die Verbreitung der Partnersuche im Internet vielleicht doch nicht so effektiv bzw. relevant für die Partnerwahl, wie häufig angenommen wird? Oder ist es für viele einfach noch keine gängige Praxis, virtuell nach einem Partner zu suchen? Die Ergebnisse der jüngsten infas-eigenen Befragung liefern auch dazu interessante Hinweise. Im Rahmen der Befragung wurde ermittelt, ob man schon einmal über das Internet einen Partner gesucht habe. Hierbei gaben nur rund 11 Prozent der Befragten an, schon einmal im Internet einen festen Partner gesucht zu haben. Am stärksten verbreitet ist die Partnersuche im Internet dabei unter den 18- bis 39-Jährigen. Unter den übrigen gut 89 Prozent der Befragten, die bisher noch nicht im Internet nach einem Partner Ausschau gehalten haben, können sich rund 18 Prozent vorstellen, dies zukünftig zu tun.
Eine weitere Frage, die sich in diesem Zusammenhang stellt, ist die nach der Bedeutung der Partnersuche im Internet für das spätere Eingehen einer Paarbeziehung. Kann man sich beispielsweise in jemanden verlieben, den man bis dahin nur aus dem Internet kennt? Unter den Befragten, die bereits im Internet nach einem festen Partner gesucht haben, geben hierzu rund 30 Prozent an, dass sie sich schon mal in jemanden verliebt haben, den sie bis dahin nur über diesen Weg kannten. Unter den Befragten, die bisher noch nicht nach einem Partner im Internet gesucht haben, können es sich wiederum rund 50 Prozent vorstellen, sich in jemanden zu verlieben, den man bis dahin nur online kennt.

Orte des KennenlernensOrte des Kennenlernens

Ausblick

Über die Bedeutung der Partnersuche im Internet für die spätere Paarbildung kann anhand dieser Ergebnisse natürlich nur spekuliert werden. Die vorgestellten Ergebnisse geben aber Hinweise dafür, dass die Partnersuche über das Internet mittlerweile in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist, wenn auch nicht jeder davon Gebrauch macht. Die Befunde lassen allerdings ebenso vermuten, dass das eigentliche Kennenlernen von potenziellen Partnern nach wie vor an den klassischen Orten des Kennenlernens stattfindet. Dabei ist das Prinzip der gezielten Partnersuche über ein zunächst wenig persönliches Kontaktmedium nicht neu, denn Partnerannoncen oder Partnervermittlungen über Dritte gibt es seit Ewigkeiten. Das Internet bietet aber neue und spannende Möglichkeiten, einen Partner zu finden und erlaubt, seinen individuellen „Partnermarkt“ computergestützt zu erschließen. Die gezielte Suche nach Partnern mit bestimmten Merkmalen oder in der regionalen Umgebung wird mithilfe dieses Mediums einfacher. Es bleibt eine interessante Frage, wie sich die Bedeutung des Internets für Paarbildungsprozesse entwickeln wird. Es ist aber zu vermuten, dass sich die erste reale Begegnung und das Kennenlernen weiterhin in einem Café, auf einem Konzert, in einem Restaurant oder an einem anderen Ort des „Kennenlernens“ abspielen werden. Diese altbewährten Flirtorte werden nur schwer virtuell ersetzbar sein.

Quellen:
Becker, Gary S. 1993. A treatise on the family. Cambridge: Harvard University Press (Enlarged Edition)
Klein, Thomas; Lengerer, Andrea. 2001. Gelegenheit macht Liebe – die Wege des Kennenlernens und ihr Einfluss auf die Muster der Partnerwahl. In: Klein, Thomas (Hg.): Partnerwahl und Heiratsmuster. Sozialstrukturelle Voraussetzungen der Liebe. Opladen: Leske + Budrich, S. 265-286.
Klein, Thomas; Stauder, Johannes; Häring, Armando. 2010. Gelegenheiten des Kennenlernens. Der Partnermarkt in Ost- und Westdeutschland. In: Krause, P.; Ostner, I. (Hg.): Leben in Ost- und Westdeutschland. Eine sozialwissenschaftliche Bilanz der deutschen Einheit. Frankfurt: Campus, S. 187-209.
Häring, Armando; Richter, Aljoscha; Stoye Kristian. 2014. Struktur und Funktionsweise von Partnermärkten. Beschreibung von Partnermärkten mit den Daten des Partnermarktsurvey. In: Häring, Armando; Klein, Thomas; Stauder, Johannes; Stoye, Kristian (Hg.): Der Partnermarkt und die Gelegenheiten des Kennenlernens. Der Partnermarktsurvey. Wiesbaden: Springer VS, S. 47-68.
Zum Weiterlesen:
Häring, Armando; Klein, Thomas; Stauder; Johannes. 2014. Der Partnermarkt und die Gelegenheiten des Kennenlernens. Der Partnermarktsurvey. Wiesbaden: Springer VS